Donnerstag, 6. Oktober 2016

Der PSA-Test: Es gibt keinen besseren Marker für Prostatakrebs

Gravierende Fehler in der US-amerikanischen PLCO-Studie könnten den PSA-Wert rehabilitieren. “Zeit dafür wäre es, denn nach wie vor gibt es keinen geeigneteren Marker für das Prostatakarzinom”, sagte Prof. Dr. med. Oliver Hakenberg, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. anlässlich der jährlichen Tagung der Urologen in Leipzig.

(von Dr. rer. nat. Marcus Mau)

Vor 2009 waren die USA ein Land der exzessiven PSA-Wertbestimmung. Wer seinen aktuellen PSA nicht kannte, gehörte eigentlich nicht mehr dazu. Doch eine im Jahr 2009 im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie zur Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchung für das Prostatakarzinom brachte die 180-Grad-Wende. Doch was war damals geschehen?

Größte Screening-Studie ohne Überlebensvorteil

Der Prostatakrebs-bezogene Teil der PLCO-Studie (Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian Cancer Screening Trial)1 schloss insgesamt fast 77.000 Männer ein. Diese wurden randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe (38.343) erhielt 6 Jahre lang jährlich einen PSA-Test und eine digitalrektale Untersuchung. Die zweite Gruppe diente als Kontrollgruppe (38.350 Teilnehmer) und bekam keinerlei Früherkennungsuntersuchungen für das Prostatakarzinom.
Ziel der Studie war es, zu überprüfen, ob Männer mit jährlichem PSA-Test tatsächlich häufiger eine Krebsdiagnose – Stichwort Überdiagnostik – bekamen. Darüber hinaus war von Interesse, ob die in der Screening-Gruppe entdeckten Tumorpatienten aufgrund des frühzeitigeren Therapiebeginns eine geringere Prostatakrebs-Sterblichkeit hatten.
Bereits kurz nach dem Ende der Studie wurde klar, dass bis zu 50 % der Männer aus der Kontrollgruppe durchaus mindestens einen weiteren PSA-Test während der Studienlaufzeit bekommen hatten, und zwar außerhalb der Studienzentren. Ein schwerwiegender Mangel, der die Aussagekraft der Ergebnisse beeinträchtigte. Im Ergebnis zeigte sich, dass in der Screening-Gruppe tatsächlich 22 % mehr Prostatakarzinome entdeckt wurden, es aber keinen Unterschied in der Sterblichkeit zwischen Screening- und Kontrollgruppe gab. Daraus schlussfolgerten die Studienautoren, dass ein PSA-basierter Test zur Früherkennung für das Prostatakarzinom sinnlos sei. Schließlich ließ sich die Sterblichkeit am Tumor überhaupt nicht dadurch beeinflussen.

Die Nachwirkungen eines großen Orkans in der Forschung

Die Ergebnisse der PLCO-Studie, das Prostatakarzinom betreffend, durchzogen die USA wie ein Feuersturm. Nicht lange danach geriet der PSA-Test landesweit in Verruf, sodass heute deutlich weniger Tests in den USA durchgeführt werden. Dies verursachte selbstverständlich auch einen deutlichen Rückgang bei den neu entdeckten Prostatakarzinomen. Ob damit auch die Sterblichkeit am Prostatakarzinom in den USA angestiegen ist, werden die kommenden Jahre zeigen müssen.
Das Verheerende an dieser Entwicklung ist jedoch: Die Studienauswertung war schlichtweg falsch! Eine kürzlich erfolgte neue Prüfung der Studienergebnisse deckte auf, dass noch weitaus mehr Teilnehmer der Kontrollgruppe, nämlich bis zu 90 %, weitere PSA-Tests außerhalb der Studienzentren erhalten hatten. Die Kontrollgruppe und die Screening-Gruppe unterschieden sich also eigentlich überhaupt nicht. Deshalb konnten aber auch von vornherein keine Unterschiede in der Sterblichkeit mit oder ohne PSA-Früherkennung entdeckt werden. Das Ergebnis, das der PSA-Test sinnlos sei, basierte einzig auf einer falsch durchgeführten Studie.

Europäische Screeningstudie stützen den PSA-Wert als Marker

Die Europäische Screeningstudie (ERSPC)2 zeigte hingegen schon lange, dass das Sterblichkeitsrisiko am Prostatakarzinom mittels PSA-gestützter Früherkennung abnimmt. Nicht allein auf dieser Grundlage befürwortet die Deutsche Gesellschaft für Urologie den sachgerechten Umgang mit dem PSA-Test zur Früherkennung in Deutschland. Sachgerecht heißt hier: der PSA-Wert ist altersbezogen anzuwenden zwischen dem 50. und 65. Lebensjahr. Daneben müssen weitere Parameter beachtet werden, wie z. B. der Ausgangswert und das Prostatavolumen. Denn der PSA-Wert war und ist der bisher einzige verfügbare Marker zur Früherkennung eines Prostatakarzinoms.

Quellen:
1. Andriole GL et al., N Engl J Med 2009; 360: 1310-1319
2. Schröder FH et al., Lancet 2014; 384(9959): 2027-2035
DGU-Eröffnungspressekonferenz, 68. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU); 29.09.2016, Leipzig

(Ersterschienen auf esanum.de am 06.10.2016)

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